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Maslow ist out oder was Menschen in Projekten wirklich motiviert

Fast jeder kennt sie – Abraham Maslows Bedürfnispyramide. Was Franz Beckenbauer für den deutschen Fussball ist, das ist das wohl bekannteste Modell menschlicher Motivation für die Managementwelt. Maslow, amerikanischer Psychologe, entwickelte in den 40er und 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts ein Verhaltensmodell, das die Führungskulturen vieler Unternehmen nachhaltig geprägt hat. Kaum ein Kommunikationstool erfreut sich bis heute in seiner Anwendung gleichzeitig so hoher Beliebtheit, aber auch Kritik. Interessanterweise ist seit vielen Jahren erwiesen, dass Maslows Theorie menschlicher Bedürfnisse wissenschaftlich nicht nur nicht haltbar ist, sondern schlichtweg falsch.

Was wahrscheinlich die wenigsten wissen: Maslow war Psychotherapeut. Für die Postulierung seiner Thesen zur Bedürfnispyramide befragte er ausschließlich seine Klienten. Die Stichprobe betrug damals weit weniger als 100 Probanden, was das Datenmaterial (auch ohne Statistikexperte sein zu müssen) wenig repräsentativ und für die heutzutage verwendeten Anwendungsfelder wenig belastbar erscheinen lässt. Wie aber konnte sich dieses fragwürdige Verhaltensmodell bis zum heutigen Tag trotzdem durchsetzen und zu einem Standardwerkzeug in unzähligen Trainings werden und sich sogar in der Führungskultur von vielen Unternehmen etablieren?

Eins steht fest: Maslow ist ein Mythos

Die Gründe sind ebenso simpel wie fatal. Maslows Bedürfnispyramide glänzt zum einen durch ihre Einfachheit. Die menschliche Motivation in fünf Klassen - Grundbedürfnisse (z. B. schlafen oder trinken), Sicherheitsbedürfnisse (z. B. ein Dach über dem Kopf, regelmäßiges Gehalt), soziale Bedürfnisse (z.B. Zuneigung, Gruppenzugehörigkeit), Luxusbedürfnisse (z. B. mein Firmenparkplatz) und die Selbstverwirklichung - zu differenzieren, reduziert Komplexität, und kommt uns in einer digitalisierten Welt natürlich entgegen. Schließlich neigen wir schon von jeher dazu, komplizierte Umstände mittels Kategorisierung zu simplifizieren. Das macht nicht nur das Denken ökonomischer, es sorgt vor allem für Sicherheit im weiteren Handeln und beruhigt ungemein: Da weiß man, was man hat.

Maslow verstand darüber hinaus die für ihn die menschliche Motivation bestimmenden fünf Bedürfnisebenen als aufeinander aufbauende Motivationseinheiten. Ähnlich wie bei einem Computerspiel muss man zuerst den Endgegner besiegen, in unserem Fall die Bedürfnisebene befriedigt haben, bevor man ins nächste Level bzw. die neue Bedürfnisebene darf. Am Gipfel angekommen können die Menschen dann der Verwirklichung ihrer selbst nachkommen. Klingt logisch und auch irgendwie nachvollziehbar, entbehrt jedoch jeder Realität. Menschen ticken vollkommen anders und Motivation ist viel, aber definitiv nicht linear. Ich versuche mir gerade den Maler Vincent van Gogh in den Hochzeiten seines Wahnsinns vorzustellen, wie er im Begriff ist, sich sein Ohr abzuschneiden, weil er an den Ergebnissen seines Schaffens schlichtweg verzweifelt, plötzlich inne hält und irritiert bemerkt, dass er nur noch knapp 40 Kilogramm wiegt und eigentlich total hungrig ist. Nein, Herr Maslow, bei allem Respekt, aber da stimmt was nicht!

Dabei würde es so gut ins Bild passen. Das Maslowsche Motivationskonstrukt verführt förmlich zu falschen Schlüssen. Die Pyramide ist nicht zuletzt das Symbol der Macht. Unten die breite Masse, die es notgedrungen als Fundament braucht, oben die Selbstverwirklichung als Lebensziel und Hauptgewinn, den sich viele wünschen und nur die Besten der Besten erlangen. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?

Wenn nicht Maslow, wer sonst?

Sagen Sie nichts. Ich kann Ihre Gedanken lesen und kenne Ihre Frage: Wenn nicht Maslow, wer oder was stattdessen? Erlauben Sie mir, Mark Twain zu zitieren: "...vielleicht es ja Arbeit. Vielleicht auch nicht. Hauptsache, ich mache es gerne.” Tom Sawyers Worte sind ebenso einfach, wie zutreffend, wenn man menschliche Motivation verstehen und sie im Projektalltag effektiv nutzen möchte. Von Tante Polly zum Zaunstreichen verdonnert, macht der Junge aus seiner offensichtlichen Not eine Tugend. Er vermarktet die lästige “Arbeit” als zweckdienliche und Sinn erfüllende Passion, die nur wenigen zuteil wird. Mit dieser Eingebung erspart sich Tom Sawyer nicht nur die Malarbeiten, sondern er wird von einem seiner Freunde sogar mit einem Apfel beschenkt, weil dieser das seltene Erlebnis, einen Zaun weiß zu streichen, nun umgehend am eigenen Leib erfahren möchte.

So motiviert man Menschen! Geben Sie ihnen eine Aufgabe, die einen erkennbaren Sinn erfüllt. Begrüßen Sie die Freiheit, die Grenzen der Umsetzung von Ihren Mitarbeitern selbst bestimmen zu lassen. Sie brauchen es noch konkreter?

Richtig motiviert - was unser Gehirn dazu sagt

Aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass das limbische System, also das Emotionszentrum des Menschen, eine stärkere Aktivierung erfährt, wenn es in seiner Selbstbestimmung beschnitten wird, als wenn man ihm Schlaf, Wasser oder gar Nahrung (Sie erinnern sich an Maslows Grundbedürfnisebene) entzieht. Anders ausgedrückt: Werden wir in unserer Selbständigkeit im Handeln (Autonomie) zu sehr eingeschränkt (z. B. detaillierte Anweisungen, Anforderungsdefinitionen, Vorschriften, etc.), dann reagiert unser Gehirn darauf, als würden wir ihm körperliche Schmerzen zufügen. David Rock geht in „Brain at Work“ und mit seinem Modell SCARF sogar noch weiter. Neben der Autonomie sieht er noch vier weitere “soziale Domänen” als menschliche Motivationstrigger: S für Status, C für Certainty (Gewissheit), A für Autonomy (Selbstbestimmung), R für Relatedness (Verbundenheit) und F für Fairness.

Was heißt das für die Arbeit im Projekt? Wie kann ich Menschen im Projekt “richtig” oder vielmehr effektiv motivieren:

  • Begegnen Sie Menschen auf Augenhöhe und pochen Sie nicht auf Ihre Amtsautorität. Status verdient man sich, indem andere die Bereitschaft zeigen, Ihnen folgen zu wollen, weil sie von Ihnen und Ihren Ideen überzeugt sind.
  • Schaffen Sie Klarheit! Agieren Sie mittels Leitlinien und Grenzen wie ein Kompass. Menschen zögern in den seltensten Fällen, weil sie faul sind oder Sie ärgern möchten. Es fehlt Ihnen an der Gewissheit, wo die Reise hingehen soll und wie die nächsten Schritte zum Ziel aussehen werden.
  • Erlauben Sie ausreichend Spielräume im Tun und schenken Sie hinreichend Vertrauen, damit die Menschen sich sowohl im Was, als auch im Wie selbstbestimmter entfalten können.
  • Sorgen Sie für ein Wir-Gefühl, egal wie, aber tun Sie es schnell und immerzu.
  • Stellen Sie gemeinsam Regeln auf, die einen sicheren Rahmen zur Zusammenarbeit gewährleisten.

Mir ist bewusst, dass die Diskrepanz, was die Wissenschaft heute über das Konzept menschlicher Motivation weiß, und was die Wirtschaft tut, groß ist. Allein die Tatsache, dass in dieser Verhaltenskompetenz überhaupt eine Kluft existiert, ist zwar besorgniserregend, aber nicht hoffnungslos. Alte Ideen, wie das Zuckerbrot-und-Peitsche-Denken abzulegen, erfordert Mut und Offenheit für grundlegende Veränderungen bei sich selbst. Was mich allerdings optimistisch stimmt, dies auch im Projektalltag zu erreichen, ist ein Zitat von Daniel H. Pink:

Die Wissenschaft bestätigt, was wir unserem Herzen schon wissen. (...) die wichtigsten Erfahrungen in unserem Leben waren jene, etwas zu tun, was wirklich wichtig ist, es gut zu machen und es aus einem Grund zu tun, der größer ist, als wir selbst.

 

Literatur:

  • Pink, D. H. (2009). Drive. Was Sie wirklich motiviert. Ecowin
  • Rock, D. (2011). Brain at Work. Intelligenter arbeiten, mehr erreichen. Campus
  • Twain, M. (1989). Die Abenteuer des Tom Sawyer. Cecille Dressler Verlag

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