


Beitrag 8 von 12 der Reihe „25 Worte über das bewegungsvolle Jahr 2020“
Wir sind Anna und Sabina. Als Organisationentwickler beschäftigen wir uns stark mit Werten, deren Bedeutung und Erlebbarkeit in Organisationen. Werte kann man als Kleber einer Gemeinschaft sehen. Dort, wo nichts mehr vorangeht, hat der Kleber womöglich seine Wirkung verloren. Respekt ist ein besonders oft genannter Wert, da er den agilen Werten zugeordnet wird.
Grundsätzlich ist schnell erklärt, was man unter Respekt verstehen kann. Sofern man etwas mehr Muse hat, kann man eventuell ein kleines Brainstorming dazu machen. Im Sinne von, welche Bedeutung der Wert für den Einzelnen hat und wie er ihn gerne im Alltag erleben möchte. So eine Werteeinheit gehört ja quasi zum Grundbaustein von Teamworkshops. Damit ist der grüne Haken auf der To-do-Liste gesetzt und man kann übergehen in das tatsächliche Arbeiten. Genau an dieser Annahme wollen wir ansetzen. Lasst uns gemeinsam einen Blick darauf werfen, wie der Wert Respekt und eine fürsorgliche Verhaltensweise, Teams zu echten Profisportlern machen kann und zwar ganz im unternehmerischen Sinne.
Um Respekt nicht einfach als „ist eben einer der agilen Werte“ dastehen zu lassen, möchten wir das etwas vollmundigere Wort „Respektvollness“ verwenden. Wir möchten es sozusagen mit einem englischen Wortanteil ergänzen, der eine gewisse Qualität hervorheben soll. Wie so oft finden wir auch hier in der Wortherkunft einige Indizien dafür, was das Wort Respekt oder eben Respektvollness an nachhaltiger unternehmerischer Kraft entfalten kann.
Lat. respectus = zurückschauen, Berücksichtigung, Rücksicht
Wenn wir also Respekt in Organisationen erleben, berücksichtigen wir gewisse Dinge sehr aktiv und nehmen Rücksicht darauf. Das gelingt vor allem dann, wenn wir bewusst auf andere schauen (auch andere Inhalte). Im Vorwärtstrieb also auch immer wieder mal zurückblicken, um sicherzustellen, dass wir nicht das einzige galoppierende Pferd auf weiter Flur sind. Nun mag der ein oder andere denken: Wenn aber keiner mal ein wenig nach vorne galoppiert, bleibt man irgendwann stehen. Völlig richtig! Damit sind wir an der großen Herausforderung bei Respektvollness angelangt. Der Grat zwischen Respekt, Ehrfurcht und Angst kann schnell sehr schmal werden. Umso wichtiger, dass wir immer wieder in einen Abgleich in Gesprächsform dazu gehen. Das kann man sogar in etwas Klassisches wie eine Risikoanalyse oder Entscheidungsprozesse integrieren.
Lasst beim nächsten Mal einfach auf einer Skala von Respekt bis Angst Punkte kleben, um darüber zu sprechen, ob wir es hier mit einem tatsächlichen Risiko zu tun haben oder, ob uns da das ein oder andere individuelle (oder gar soziale) Muster einen Streich spielt. Das natürliche „Sprechen über“ ist ein wichtiger Bestandteil von bewusster Werteintegration. Dabei geht es nicht darum, wie ein Satellit nach Werten oder wertvollem Verhalten zu suchen, sondern es in einer respektvollen Art der Sprache des Systems gegenüber zu tun. Was meinen wir damit?
Sprache ist für uns die Chance, die Realität des Einzelnen in den Abgleich mit den Realitäten eines anderen zu bringen. Unsere Individualität bestimmt darüber, was wir (nicht) sehen, was wir (nicht) hören, was wir (nicht) verstehen, was wir (nicht) wahrnehmen.
Wer gerade was sieht, versteht oder wahrnimmt, können wir nur durch Sprache abgleichen. Wenn wir dies zu wenig berücksichtigen, finden wir uns z. B. gerne in Terminen wieder, in denen wir uns auf einmal in einer Patt-Situation befinden:
Und dann gibt es die konträren Erlebnisse dazu:
Das stellt natürlich nur einen Auszug der möglichen Situationen dar. Die Ursachen dafür finden wir oftmals im nicht ausbalancierten Umgang mit Respektvollness. Wir galoppieren also entweder dahin und berücksichtigen weder die sozialen noch die inhaltlichen Bedarfe im (virtuellen) Raum genug. Alternativ berücksichtigen wir beides viel zu sehr und geraten damit in die gefühlte Stagnation. Respektvollness ist also keine leichte Kunst, weil sie immer abhängig vom Auge des Betrachters ist. Es lohnt sich jedoch, sich darin zu üben.
Wo Respektvollness erlebbar wird, da kann ein sehr gut eingespieltes Team entstehen, dass dynamisch auf die Anforderungen der jeweiligen Situation reagieren kann. Das sowohl im inhaltlichen als auch im sozialen Sinne. Wir wollen euch ein paar Möglichkeiten teilen, wie ihr euer Auge auf Respektvollness schärfen könnt:
Wir sind sicher, ihr findet noch eine ganze Menge anderer Bewusstsein-Schärfungs-Übungen.
Alle Punkte folgen der Haltung der Fürsorge für sich und andere. Es geht also darum, den Blick freizuhaben für die eigenen Sorgen und die anderer, bzw. die Bedarfe. Das macht die Köpfe frei und unser Denken kann sich wieder der Gemeinsamkeit und der Zukunft widmen. Fürsorge und Respektvollness sind also durch und durch unternehmerische Elemente einer Organisation. Sie sorgen dafür, dass die Organisation wach bleibt und damit anpassungsfähig.
Wenn ihr Fürsorge und Respektvollness entweder situativ, phasenweise oder langanhaltend eher nicht antrefft, dann könnt ihr stark davon ausgehen, dass gewisse Kernbedürfnisse nicht gedeckt sind. So kann Respektvollness z. B. auch in glorifizierende Ehrfurcht oder gar Angst übergehen, was für die Anpassungsfähigkeit einer Organisation stark schädigend ist.
In Impuls 9 möchten wir mit euch einen Ausflug in die Welt der Achtsamkeit und Wachsamkeit machen. Dort finden wir einige Ansätze, die uns Hilfestellungen beim Erkennen von nicht gedeckten Kernbedürfnissen oder inneren Ressourcen geben.
Doch nun freuen wir uns erst einmal auf eure Ideen. Wo wird für euch Respektvollness erlebbar? Welche Art der unternehmerischen Fürsorge erlebt ihr in eurer Organisation?